Text Zeljko Rusic

Von Stefan Simon

„Die beste Idee ohne die Fähigkeit, sie umzusetzen, ist wertlos – genauso wie dieselbe in Auftrag zu geben“:  Zeljko Rusic ist nicht nur ein überregional gefragter Bildhauer, er macht sich bei aller Bescheidenheit auch immer Gedanken über sein kreatives Schaffen, das mit seinem Zitat so treffend beschrieben wird. Zunächst einmal sind das die beeindruckenden Fähigkeiten mit denen der 1967 in Kroatien geborene und seit 1991 in Königsfeld beheimatete Künstler, seine Skulpturen im Königsfelder Rotwald herstellt. Ob nun Douglasie, Pappel, Eiche, Zeder oder Linde zum Einsatz kommt, der Routinier kennt die Eigenschaften des jeweiligen Holzes. Die Kenntnisse des Werkstoffs, das er künstlerisch bearbeitet, ist das eine, die technische Bearbeitung das andere. Hier zeigt sich der Königsfelder als ausgebildeter Forstwirt als wahrer Meister seines Faches. Jeder Schnitt mit der Kettensäge sitzt. Was man im abstrakten Bereich noch kaschieren oder variieren kann, ist bei dieser gegenständlichen Kunst unmöglich. Zeljko Rusic belässt das Material Holz durchweg in seiner natürlichen Konsistenz, betont bei einigen Arbeiten aber besonders die Struktur, indem er das Holz schwarz flämmt oder weißt. Mal fein, mal mit rauen Schnitten, Riefen und Rissen versehen, gestaltet der Künstler seine Geschöpfe. Seine Empathie für das Material Holz fordert ihn heraus, die Widerstände in diesem Material zu überwinden und sich an die Grenze der Fragilität heranzutasten. Der geniale handwerklich-technische Aspekt ist somit immer der Blickfänger und der erste Einstieg in den Kunstkosmos von Zeljko Rusic, der nicht nur mit seiner Handwerkskunst überzeugt, sondern auch mit den Inhalten seiner Skulpturen und somit mit seinem enormen Ideenreichtum. Das Wesentliche der Menschenbilder ist ihre, im besten Sinne des Wortes, eingeschriebene Gewöhnlichkeit. Aber die  gewöhnlichen Figurenexistenzen berichten auch von Existenziellem. Dabei gleitet der Bildhauer weder in die gegenständliche Anekdote, noch in die aufgesetzte Ästhetik des Dekorativen ab. Figur wird in dieser Bildhauerei ein Abstraktum – und umgekehrt macht die damit verbundene geometrische Form der markanten Stele, der Kugel, des Rahmengerüstes die Figur erst möglich. Charakter und Eigensinn hat bei Rusic viele Ecken und Kanten. Die entkernten, fragilen Geschöpfe verhalten sich widerspenstig gegenüber der schönen Form und der perfekten Oberfläche. So sind Rusics Menschenentwürfe nicht Abbilder des Sichtbaren, sondern vielmehr Gestaltungen des Ausgesparten. Sie verweisen auf Brüche, sowohl in der Wahrnehmungswirklichkeit als auch im Wahrnehmungsvermögen. Die Ansichten deuten auf Zwischenräume, die es durch den Betrachter zu füllen gilt. Zum Beispiel bei seinen regelmäßigen Messebeteiligungen wie jüngst auf der Art Karlsruhe oder gleich direkt vor Ort in und um seine 2006 erstellte Blockhütte, wo man auch den Bildhauer fast täglich bei der Arbeit an immer wieder neuen Arbeiten antreffen kann. Mit Kopfhörern geschützt findet man den Künstler neben der Hütte über eine Holzskulptur gebeugt, die er äußerst flink und dennoch behutsam und filigran mit der Kettensäge Schnitt für Schnitt skelettiert. Wenn er mal die Kettensäge beiseitelegt, sind Schweiß- und  Flexarbeiten angesagt. Auch wenn Rusics bevorzugtes Material Holz ist, so widmet er sich seit einigen Jahren ebenfalls den weniger vergänglichen, für den Außenbereich tauglichen Materialien wie Aluminium, Bronze, pulverbeschichtetem Eisen oder Cortenstahl. Das erlaubt ihm zudem seine Menschenbilder in ganz anderen Dimensionen zu entwerfen. In sechs Meter Höhe balancieren die Figuren nun auf vermeintlich instabilen Konstruktionen und konkurrieren mit den umliegenden Bäumen. Doch Vorsicht:  Atelierbesichtigungen sind bei Rusic immer nur flüchtige Momentaufnahmen. Was man heute noch als fertiges Exponat oder im Entstehungsprozess entdecken konnte, steht morgen schon irgendwo zwischen Hamburg und München in den Gärten, Bürogebäuden und Wohnhäusern der zahlreichen Bewunderer seiner Kunst. Oder wie ganz aktuell in Balingen, wo Rusic mit seinen überlebensgroßen Stahlskulpturen auf der diesjährige Gartenschau künstlerische Akzente setzt.

Info: Zeljko Rusic, 1967 in Knin (Kroatien) geboren, lebt seit 1991 in Königsfeld, wo er in einer Blockhütte im Rotwald arbeitet.

© Stefan Simon, 12.5.2023